Jens Weidmann

Verleihung der Walter-Eucken-Medaille an Bundesbankpräsident Dr. Jens Weidmann

Begrüßung und Moderation

Dipl.-Volksw. Margot Selz (Vorsitzende des Aktionskreises Freiburger Schule) und Dr. Gerhard Kempter (Kuratoriumsvorsitzender des Walter Eucken Instituts)

Laudatio

Prof. Dr. Dr. h. c. Lars P. Feld (Direktor des Walter Eucken Instituts).
Als PDF downloadbar.

Presse

Jens Weidmann für mehr Datensouveränität für Verbraucher, Badische Zeitung

Für stabile Preise sorgen, Badische Zeitung

Walter-Eucken-Medaille für Bundesbankchef Jens Weidmann, SWR

 


Das Walter Eucken Institut und der Aktionskreis Freiburger Schule haben am 30. Januar 2020 die Walter-Eucken-Medaille an Dr. Jens Weidmann verliehen. Der langjährige Präsident der Deutschen Bundesbank ist erst der zweite, der diese Auszeichnung in Gold erhielt. Mit der Walter-Eucken-Medaille wird Weidmann ausgezeichnet „für sein Einstehen für eine solide Geldpolitik in Deutschland und in Europa, wobei er nicht zuletzt hinsichtlich der Architektur der Europäischen Währungsunion klare ordnungspolitische Grundsätze zum Tragen bringt.“ In seiner Funktion als Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, als wirtschaftspolitischer Berater von Bundeskanzlerin Merkel und schließlich als Präsident der Deutschen Bundesbank hat sich Jens Weidmann um eine Wirtschafts- und Geldpolitik im Sinne der Freiburger Schule verdient gemacht.

Der Direktor des Walter Eucken Instituts Lars P. Feld stellte in seiner Laudatio heraus, dass Weidmann besonders in unangenehmen Situationen für ordnungspolitische Positionen und Prinzipien einsteht. Dazu zählen seine beharrlichen Warnungen vor bestimmten Euro-Rettungsmaßnahmen, seine wiederholten Enthaltungen bei Abstimmungen über Staatsanleihekäufe im EZB-Rat oder seine konkret geäußerte Kritik an der italienischen Haushaltspolitik. Das alles, so Feld, habe die informierte Öffentlichkeit wohlwollend vernommen. Außerdem habe Weidmann in vielen weiteren Fragen eine moderne Auffassung der Ordnungsökonomik vertreten – etwa in der Rentenpolitik oder beim Mindestlohn – und steht grundsätzlich für eine regelorientierte Geld- wie Fiskalpolitik ein. Ein Satz aus Weidmanns Walter-Eucken-Vorlesung an der Universität Freiburg im Jahr 2013 war Feld in besonderer Erinnerung geblieben: „Eine Währung ohne Staat braucht Regeln!“

In seiner Danksagung betonte Weidmann wiederholt, wie sehr ihn das Werk Walter Euckens zur Studienzeit und bei der Ausübung seiner anschließenden Ämter geprägt hat. Das drücke sich nicht zuletzt dadurch aus, dass Eucken der von ihm wohl meistzitierte Ökonom sei. Die von Eucken aufgestellten Prinzipien seien noch lange nicht überholt, sondern sollten auch bei aktuellen Herausforderungen herangezogen werden, so Weidmann. In seinem Vortrag verdeutlichte er dies an zwei Beispielen: Zunächst ging er knapp auf zentrale Punkte zur Zukunft der Währungsunion ein, um dann darzulegen, welche drängenden Herausforderungen sich aus dem digitalen Wandel für unser Wirtschaftssystem ergeben. Ordnungspolitische Leitlinien könnten in beiden Fällen Orientierung bieten.

Für Weidmann könne das für ihn zentrale Prinzip „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen“ die Währungsunion vor erheblichen Fehlanreizen bewahren. Das Haftungsprinzip sei in dieser Frage nach wie vor sein „ordnungspolitischer Kompass“, der eine echte Fiskalunion, die den Euro dauerhaft stabilisieren könnte, jedoch keinesfalls ausschließt. Bedingung müsse dann allerdings eine Übertragung von nationaler Souveränität in Haushaltsfragen auf die europäische Ebene sein.

Aus geldpolitischer Sicht bestehe vor allem in Krisenzeiten die Gefahr, von Euckens „Primat der Währungspolitik“ abzuweichen, da gerade dann die Tendenz zu diskretionären Maßnahmen bestehe, während ordnungspolitische Prinzipien als einengend empfunden würden. Weidmann sieht hier in Eucken’scher Tradition die Gewährleistung von Geldwertstabilität die zentrale Aufgabe von Zentralbanken. Eine fiskalische Abhängigkeit sei daher genauso zu vermeiden wie eine Überfrachtung der Institution mit anderen Aufgaben wie etwa einer aktiven Rolle in der Klimapolitik, so Weidmann. Nichtdestotrotz müsse sich die EZB stetig fortentwickeln und folglich finanzielle Risiken, die sich aus dem Klimawandel für die Wirtschaft und speziell Banken ergeben, miteinbeziehen.

Den Fokus seiner Rede setzte Weidmann anschließend auf die wirtschaftspolitischen Herausforderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen. Einerseits fördere die rasche technologische Entwicklung den Wettbewerbs- und Innovationsdruck, was neue Geschäftsmodelle ermögliche und nicht zuletzt den Kunden zu Gute komme. Andererseits hat der digitale Wandel zu erheblicher Machtkonzentration in einigen Branchen geführt, so Weidmann. Speziell US-amerikanische Digitalkonzerne profitierten von Skalen- und Netzwerkeffekten. Letztere spielen insbesondere bei Plattformen eine übergeordnete Rolle.

Mitunter gelten Daten als Rohstoff des digitalen Zeitalters und dienen Unternehmen als Hebel um auf anderen Märkten Fuß zu fassen. Weidmann erkannte in seiner Rede zwar das produktive Potential solcher Datenschätze an, das Verbrauchern zu Gute kommen kann. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Daten zum Nachteil der Bürger gebraucht werden können, beispielsweise bei  Finanzdienstleistungen. Für Weidmann reicht die Stärkung des Datenschutzrechts, wie es etwa über die Datenschutzgrundverordnung geschieht, nicht aus. Stattdessen müssen seiner Meinung nach Wettbewerbshüter geeignet ausgestattet werden. Er sprach sich für ein Modell aus, in dem sogenannte Datenmittler die Nutzerdaten für die Verbraucher verwalten. Solche Datentreuhänder würden das Machtgefälle zwischen Unternehmen und Nutzern verringern und damit den Wettbewerb beleben. Ein selbstbestimmter Umgang mit Daten, bei dem definiert ist, wozu und wie lange diese bereitgestellt würden, solle damit einhergehen. Weidmann betonte in diesem Zusammenhang, dass der Markt für den Menschen da sei und nicht umgekehrt.

Schließlich ergäben sich mit der Digitalisierung weitere Herausforderungen für das Geldsystem und die Geldpolitik. Ein unkomplizierter grenzenloser Zahlungsverkehr oder Echtzeitzahlungen seien allerdings Entwicklungen, die private Anbieter bewerkstelligen könnten, sofern ein Markt dafür bestehe, so Weidmann. Auch einem digitalen Zentralbankgeld steht er skeptisch gegenüber, nicht zuletzt, da dadurch das Finanzsystem erheblich verändert würde. Kunden könnten nämlich von Bankguthaben per Mausklick zu Forderungen gegenüber der Zentralbank wechseln. Dies entspräche einem digitalen Bank-Run der erhebliche Risiken berge.

Abschließend stellte Weidmann klar, dass er keinesfalls Regeln um der Regeln Willen befürworte. Es gehe rein um eine funktionsfähige und menschenwürdige Wirtschaftsordnung. Dies gelte sowohl hinsichtlich der Haftung in einer Staatengemeinschaft als auch in Bezug auf die Währungspolitik und offene Märkte. Speziell um letztere und damit den Wettbewerb zu schützen, plädiert Weidmann daher für eine Ordnungspolitik für das digitale Zeitalter.

Der Preisträger

Dr. Jens Weidmann, Jahrgang 1968, ist seit Mai 2011 Präsident der Deutschen Bundesbank. Er ist Mitglied des EZB-Rats, vertritt die deutsche Position beim IWF sowie in anderen internationalen Gremien und ist seit November 2015 Vorsitzender des Verwaltungsrates der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.
Nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre in Bonn und Aix-en-Provence promovierte Jens Weidmann an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Von 1997 bis 1999 war er Mitarbeiter beim IWF in Washington, bevor er Generalsekretär des Sachverständigen-rates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wurde. Im Jahr 2003 wechselte er als Leiter der Abteilung für Geldpolitik und monetäre Analyse zur Deutschen Bundesbank. Von 2006 bis 2011 war Jens Weidmann Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik im Bundeskanzleramt, zuletzt auch persönlicher Beauftragter der Bundeskanzlerin für die Weltwirtschaftsgipfel der G8- und G20-Staaten.