Bericht aus Berlin und Brüssel

21.10.2019 18:30:00 Uhr
Humboldtsaal
Dr. Susanne Cassel
Beirat des Aktionskreises Freiburger Schule

Zusammenfassung

Beim diesjährigen Bericht aus Berlin und Brüssel hatten die Mitglieder des Aktionskreises Freiburger Schule die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen des Rats der Europäischen Union und des Bundeswirtschaftsministeriums zu werfen. Dr. Olaf Prüßmann, Leiter des Referats “Wirtschaftspolitik einschließlich Eurogruppe” im Rat der Europäischen Union, setzte in seinem Vortrag fünf Schwerpunkte zu aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen in der EU und in der Eurozone. Zunächst skizzierte er die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung in der EU und erklärte, dass das Wachstum weiterhin robust sei, sich jedoch merklich verlangsamt habe. Eine besondere Berücksichtigung fanden in dem Vortrag die derzeitigen Krisenländer Griechenland und Italien sowie aufgrund des bevorstehenden Brexits das Vereinigte Königreich. Einen weiteren Schwerpunkt setzte Prüßmann im Bereich der europäischen Finanzmärkte. Zur europäischen Bankenunion erklärte er, dass mit der einheitlichen europäischen Bankenaufsicht und dem europäischen Bankenabwicklungsmechanismus bereits zwei von drei Stufen einer europäischen Bankenunion erreicht worden seien. Die letzte Stufe könne jedoch ohne eine gemeinsame europäische Einlagensicherung nicht vollendet werden. Hieran anschließend gab Prüßmann eine Einschätzung zur Vertiefung der europäischen Kapitalmarktunion, wobei er keine wesentliche Weiterentwicklung im letzten Jahr erkennen könne. Grund sei eine geringe Priorisierung dieses Themas durch den scheidenden Ratspräsidenten Tusk und die politische Verschleppung des französischen Vorschlags zur Schaffung eines europäischen Haushalts. Abschließend skizzierte Dr. Prüßmann mögliche Veränderungen in der europäischen Politik, die im kommenden Jahr aufgrund der Vielzahl von neubesetzten Führungspositionen in den verschiedenen europäischen Gremien zu erwarten sind. Im zweiten Vortrag des Abends, der sich auf die nationale wirtschaftspolitische Entwicklung im fokussierte, gab Frau Dr. Cassel einen tiefen Einblick in die deutsche Energiepolitik und die Bemühungen des Bundeswirtschaftsministeriums zur Gestaltung der Energiewende. Susanne Cassel ist Referatsleiterin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in der Abteilung „Energiepolitik – Strom und Netze“. Dr. Cassel betonte eingangs, dass die Themenkomplexe Klimapolitik und Energiewende zurzeit höchste Priorität im politische Berlin genießen und ging im Folgenden detailliert auf die jüngsten politischen Entscheidungen in diesem Bereich näher ein. Sie erklärte, dass das im Herbst 2019 verabschiedete Klimaschutzgesetz konkrete CO2-Reduktionsziele für einzelne Sektoren festlege. Diese Ziele sollten durch 65 vielfältige Einzelmaßnahmen sowie durch eine Bepreisung von CO2 erfolgen. Hierbei ging Susanne Cassel auf die konkrete Ausgestaltung des CO2-Preises vertiefend ein und nahm zu den verabschiedeten Maßnahmen kritisch Stellung. Als wesentliche Herausforderungen der Energiewende identifizierte sie die unterschiedlichen, teilweise divergierenden Forderungen verschiedener Interessensgruppen. Konkret nannte sie beispielsweise Bürgerinitiativen gegen die Erweiterung von Windkraftenergie oder gegen den Ausbau neuer Stromtrassen.

Die Referenten

Dr. Susanne Cassel ist seit 2001 im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie tätig, wo sie seit Ende 2012 das Referat "Koordinierung Bundesländer, Informationen und Dialog" in der Abteilung Energiepolitik – Abteilung Strom und Netze leitet. Darüber hinaus ist sie stellvertretende Vorsitzende von ECONWATCH – Gesellschaft für Politikanalyse e.V. und Lehrbeauftragte am Düsseldorf Institute for Competition Economics der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dr. Olaf Prüßmann ist seit Oktober 2010 Leiter des Referats "Wirtschaftspolitik einschließlich Eurogruppe" im Rat der Europäischen Union. Zuvor war Olaf Prüßmann seit 2006 im Arbeitsstab des Wirtschafts- und Finanzausschusses, dem Ausschuss der Staatssekretäre zur Vorbereitung des Ecofin-Ministerrats, und davor seit 2001 bei der Europäischen Kommission in der Abteilung für "Institutionelle und praktische Fragen der Wirtschafts- und Währungsunion" tätig. Olaf Prüßmann studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg und wurde 1999 bei Prof. Dr. Viktor J. Vanberg zum Thema "Geldverfassung und Währungswettbewerb" promoviert. 1993 schloss er ein Studium mit dem Bachelor of Business Economics (BBE) an der Brock University, Ontario (Kanada) ab. Von 1995 bis 2000 war Olaf Prüßmann wissenschaftlicher Assistent am Institut für Allgemeine Wirtschaftsforschung an der Universität Freiburg, u.a. mit geschäftsführenden Aufgaben.